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Interview "Wir brauchen ein Gesamtkonzept für die Aus-, Fort und Weiterbildung"

Prof. Dr. Rudolf Tippelt, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Prof. Dr. Hans-Günther Roßbach, Inhaber des Lehrstuhls für Elementar- und Familienpädagogik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sind Mitglieder im Aktionsrat Bildung. Das Gremium hat 2012 in einem Gutachten Empfehlungen zur Professionalisierung in der Frühpädagogik formuliert.

Prof. Dr. Rudolf Tippelt, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Prof. Dr. Hans-Günther Roßbach, Inhaber des Lehrstuhls für Elementar- und Familienpädagogik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, im Interview

Der Aktionsrat fordert, dass bis zum Jahr 2020 jede Kita von einer an der Hochschule ausgebildeten Fachkraft geleitet wird. Kita-Leitungen arbeiten aber auch häufig im Gruppendienst. Wie müssten die Studiengänge aufgebaut sein, wenn sie auf beide Aufgabe vorbereiten sollen?

Tippelt: Selbstverständlich müssen neben einer hohen Fachkompetenz auch Methodenkompetenzen und soziale Kompetenzen gefördert werden, beispielsweise durch Praktika während des Studiums. Gute Leitungsarbeit setzt zudem auch Erfahrungen im Gruppendienst voraus.

Sie befürworten die Akademisierung der Erzieherinnenausbildung. Allerdings wissen wir noch wenig darüber, welche Auswirkungen diese auf die Kompetenzen der Fachkräfte hat. Was müssen die Hochschulen leisten, um den Erwartungen gerecht zu werden?

Tippelt: Die Hochschulen müssen neben einer soliden und theoretisch-empirisch gehaltvollen Ausbildung auch Bedarfsanalysen durchführen und durch die Information von Übergangsstudien die Aus- und auch die Weiterbildung fortwährend justieren.

Roßbach: Wir müssen die Auswirkungen von unterschiedlichen Ausbildungsmodellen auf die Kompetenzen der Fachkräfte empirisch untersuchen. Dazu laufen bereits einige gute Untersuchungen in Deutschland, aber hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

Ihr Ziel ist, dass nur noch fach- und hochschulisch ausgebildetes Personal in Kitas arbeitet. Das bedeutet, dass keine Kinderpflegerinnen und Sozialassistentinnen mehr eingestellt werden und die in der Praxis Tätigen zu Erzieherinnen weiterqualifiziert werden müssen. Ist das mit Blick auf den Fachkräftemangel umsetzbar?

Tippelt: Wir müssen versuchen, die Kompetenz und damit die Qualität der Praxis in den Kindertagesstätten fortwährend zu stabilisieren und zu verbessern. Fachkräftemangel darf kein Argument für die Reduktion von Qualitätsansprüchen sein. Im Interesse des Kindeswohls und der Erziehungsinteressen von Eltern ist die Gesellschaft verpflichtet, optimal in den Bereich der frühkindlichen Bildung zu investieren. Die Forderung nach einer guten Ausbildung beinhaltet immer auch eine Herausforderung für die Bildungspolitik und die Bildungsfinanzierung.

Wie könnten Kinderpflegerinnen motiviert werden, sich zur Erzieherin weiterzuqualifizieren?

Roßbach: Wir müssen aktiv dafür werben, dass Weiterbildungsmöglichkeiten genutzt werden und mit verbesserten Berufschancen verbunden sind. Die formalen und motivationalen Voraussetzungen sind bei vielen Kinderpflegerinnen vorhanden.

Weshalb fordert der Aktionsrat dann verpflichtende Fort- und Weiterbildungen?

Tippelt: Verpflichtende Fort- und Weiterbildung meint hier den unbedingten Einsatz für das Kindeswohl im Sinne einer ethischen Anforderung. Sie ist mit der Verantwortung für das Lernen und die Persönlichkeitsbildung der Heranwachsenden zu assoziieren. Erzwungene Fortbildungen soll es nicht geben.

Welche Forderungen des Aktionsrates sind aus Ihrer Sicht am dringlichsten und am ehesten umsetzbar?

Roßbach: Die wichtigste Empfehlung ist, dass zur Professionalisierung des Fachpersonals ein koordiniertes Gesamtkonzept für die Aus-, Fort- und Weiterbildung entwickelt wird.  Dazu gehört auch, die Durchlässigkeit der verschiedenen Ausbildungsgänge sicherzustellen. Die Entwicklung und Umsetzung eines solchen Gesamtkonzepts sollte auf der Ebene von Jugend- und Familienministerkonferenz und Kultusministerkonferenz vereinbart werden.

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